00:00:00: Ich selber mache immer noch schlechte Gespräche.
00:00:03: Aber es gelingt mir, das zu erkennen und das häufig zu reparieren.
00:00:08: So wie ich als Frauenarzt, der sich sehr mit Krebserkrankungen beschäftigt, auch operative Komplikationen habe.
00:00:15: Ich erkenne sie und versuche sie zu reparieren.
00:00:19: Das ist das Professionelle.
00:00:21: Zu glauben, dass man einen Kurs macht und dass es dann Einfach problemlos, ohne Emotion, ohne Selbstzweifel geht, ist ein Öuglaub.
00:00:42: In
00:00:44: der heutigen Folge geht es um die Kommunikation zwischen Ärztinnen und Patienten.
00:00:49: Genauer gesagt, um das Überbringen schlechter Nachrichten.
00:00:52: Obwohl es zum Alltag viele Ärztinnen und Ärzte gehört, fühlen sie sich oft nicht auf diese Gespräche vorbereitet.
00:00:58: Was ist dabei zu beachten?
00:01:00: Was sollte ich besser vermeiden?
00:01:02: Und wie schaffe ich es, bei schwierigen Gesprächen auch noch gut auf mich selbst aufzupassen?
00:01:07: Mein Name ist Katharina Ludwig und diese Fragen möchte ich heute mit meinem Gast, Professor Jali Cihuli besprechen.
00:01:14: Er ist Direktor der Frauenklinik an der Charité in Berlin.
00:01:17: Herr Cihuli, schön, dass Sie da sind.
00:01:19: Danke für die Einladung.
00:01:21: Sie sind Gynäkologe und beschäftigen sich schwerpunktmäßig mit Krebserkrankungen.
00:01:25: Sie haben aber auch ein besonderes Interesse an der Kommunikation zwischen Ärztinnen und Patienten.
00:01:30: Darüber haben Sie ein Buch geschrieben, mit dem Titel von der Kunst schlechte Nachrichten gut zu überbringen.
00:01:38: Diesen Titel würde ich gern zum Einstieg nutzen und Sie fragen, was sind überhaupt schlechte Nachrichten?
00:01:43: Das ist eine ganz, ganz großartige Frage, weil gerade wenn es um Kommunikation geht, geht es um Sprache, aber es geht auch um Beziehung.
00:01:52: Und als ich mich damit beschäftigt habe, habe ich mir genau diese Frage gestellt und habe nach Definitionen gesucht.
00:02:00: und verrückterweise in der Medizin ist ja alles kategorisiert, klassifiziert, definiert, aber nicht die schlechte Nachricht.
00:02:08: So, dass ich für mich persönlich eben das so definiert habe, dass eine schlechte Nachricht, eine Botschaft oder eine Information ist, die das Potenzial in sich bürgt.
00:02:20: Den Blick auf jetzt und morgen für immer zu verändern.
00:02:26: Warum ist es denn wichtig, schlechte Nachrichten gut zu überbringen?
00:02:31: Also erstmal sind wir alle in der Medizin natürlich angetreten, um Menschen zu helfen, um Gesundheit wieder herzustellen.
00:02:39: Aber es ist Routine, Routine, dass das nicht immer gelingt.
00:02:45: Es ist Routine, dass wir Menschen schlechte Nachrichten übermitteln, die genau diesen Blick auf morgen und übermorgen für immer verändern.
00:02:55: Und deswegen ist es nicht wichtig, sondern ist Pflicht, sich damit zu beschäftigen.
00:03:01: Sie sagen, es ist Pflicht.
00:03:03: Kann man denn das überbringen, schlechter Nachrichten überhaupt lernen?
00:03:07: Einiges kann man lernen, nicht alles.
00:03:11: Aber es ist trainierbar.
00:03:13: Je natürlich von der Basis heraus definiert wie ... Toll, dass dann später gelingt.
00:03:20: Aber ich darf jetzt erst mal unseren Zuhörerinnen und Zuhörern die Angst nehmen.
00:03:26: Ich selber mache immer noch schlechte Gespräche.
00:03:30: Aber es gelingt mir, das zu erkennen und das häufig zu reparieren.
00:03:35: So wie ich als Frauenarzt, der sich sehr mit Krebserkrankungen beschäftigt, auch operative Komplikation habe.
00:03:42: Ich erkenne sie und versuche sich zu reparieren.
00:03:46: Das ist das Professionelle.
00:03:48: zu glauben, dass man einen Kurs macht und dass es dann einfach problemlos, ohne Emotion, ohne Selbstzweifel geht, ist ein Irrglauben.
00:03:59: Aber wir haben das untersucht an über zweitausend Studierende und Ärztinnen in Deutschland, Österreich und Schweiz.
00:04:06: Wenn man sich mindestens zwanzig Stunden damit beschäftigt mit dem Thema Kommunikation, Überbringung von schlechten Nachrichten, dann hat man viel, viel mehr gute Gespräche und auch das Gefühl nicht zu versagen.
00:04:21: Können Sie sagen, was genau das Überbringen schlechter Nachrichten so schwierig macht?
00:04:27: Ich glaube, das Erste ist, und das passt zu Ihrer Eingangsfrage, ist, dass wir gar nicht häufig wissen als Medizinerinnen und Mediziner, dass das, was ich gerade erzählt habe, tatsächlich existenziell ist.
00:04:38: Na zu lebensbedrohlich.
00:04:40: Lebensbedrohlich im Sinne von, mein Leben ist nicht mehr das Alte.
00:04:44: Ich kann meinen Erwartungen nicht mehr gerecht werden.
00:04:48: Und dass wir eben das gar nicht erkennen und wir denken, das ist normal befunden oder das ist doch normal.
00:04:54: Und gerade jetzt vor wenigen Minuten war eine Patientin bei mir, die eben zur Routine untersuchen gegangen ist und jetzt die Diagnose hat Verdacht auf Eierstockkrebs.
00:05:05: Selbst aus der Medizin kommt und natürlich große Zweifel hat.
00:05:08: Und natürlich große Ängste hat und häufig gegen den wir Mit einer ICD-Nummer oder sagen wir, das ist der Algorithmus, ohne zu verstehen, dass Gesundheit bedeutet körperliches, soziales und mentales Wohlbefinden.
00:05:24: Und deswegen ist das eben wirklich einer der wichtigsten Dinge.
00:05:29: Und so habe ich auch gelernt, über Kommunikation mich zu beschäftigen, weil ich wollte immer Operateur sein und habe gemerkt, dass aber die Operationen Komplikationen haben.
00:05:39: Und ich mir gesagt habe, wie soll es zu einem guten Operateur sein, wenn du es nicht weißt, wie man schlechte Nachrichten übermittelt.
00:05:47: Und deswegen ist das wirklich eine großartige Geschichte, das wir uns damit beschäftigen dürfen.
00:05:55: Und wir müssen uns darüber definieren, was bei den Frauen und Männern und Angehörigen letztendlich auch ankommt.
00:06:04: Wenn man jetzt auf die Ärztinnen und Ärzte selbst schaut, die solche Nachrichten überbringen, Sie haben vorhin schon selbstkritisch erwähnt, dass es Ihnen auch heute manchmal noch weniger gut gelingt, solche Gespräche zu führen.
00:06:18: Wie wichtig ist denn Selbstreflektion in dem Zusammenhang?
00:06:23: Absolut.
00:06:24: Das ist an sich die Grundvoraussetzung.
00:06:27: Das will Ihnen jeder psychischen Allytiker sagen.
00:06:29: Und das ist ganz logisch.
00:06:31: Und das war ja das Verrückte auch, als ich das Buch geschrieben habe.
00:06:35: Das ist ja eine Art Reflexion, dass man sich bewusst für welche Geschichten feiern wir überhaupt ein.
00:06:41: Wie habe ich darauf reagiert?
00:06:42: Welche Emotionen werden ausgerufen?
00:06:44: Das ist extrem wichtig.
00:06:47: Und das hat immer mit einem selbst zu tun, wie ich wahrnehme.
00:06:51: Sie kennen ja die Diskussion der Übertrauen gegen Übertrauen.
00:06:54: Das machen aber auch wir.
00:06:56: Und deswegen ist es so wichtig, dass man eben lernt, sich selbst über die Schulter zu schauen, selbst in Situationen, wo die einem eng glitten sind.
00:07:05: Weil auch mir passiert das, dass man etwas sagt, was man eigentlich nicht sagen wollte.
00:07:08: Man hat es aber gesagt.
00:07:10: Und jetzt kann man einfach so tun, als ob niemand gehört hat oder sagen, egal, misst, einfach mal sich vorbei mogeln oder zu sagen, stop.
00:07:20: Lassen Sie uns das Gespräch neu beginnen.
00:07:22: Stop.
00:07:24: Das ist nicht das, was ich Ihnen als Botschaft übermitteln möchte.
00:07:28: Stop.
00:07:29: Und ich darf Ihnen ruhig verraten, ich hatte vor wenigen Tagen ein Gespräch mit einem Mitarbeiter, der mir erzählte, dass er sich so geärgert hat, dass er mit der Faust gegen die Wand geschlagen hat.
00:07:42: Und da sieht man, der extreme gute Gespräche führt an sich.
00:07:46: Und ich ihm dann sagte, weißt du, erst mal ist das toll, dass du mir das sagst.
00:07:51: Das ist der erste Schritt.
00:07:52: Weil ich finde das sehr, sehr gut, weil natürlich hast du gewissensbisse und so weiter.
00:07:56: Das Zweite ist aber, Du musst lernen, professionell zu reagieren.
00:08:01: Das ist das, was wir als Pflicht haben, professionell zu sein.
00:08:05: Du brauchst also in Krisensituationen, egal aus welchem Grund heraus, aus welcher emotionalen Krise heraus, die Eskalationsstrategie.
00:08:14: Und ich darf das auch verraten, wenn ich eine Situation habe, die vielleicht ein oder zweimal im Jahr passiert, wo man merkt, dass man etwas übermitteln möchte oder mitteilen möchte.
00:08:26: Und das Gespräch aber entgleitet, dass ich dann sage, stopp.
00:08:30: Es gibt zwei Möglichkeiten.
00:08:32: Einmal, dass wir das Gespräch mit jemand anders fortsetzen, weil irgendwie passt die Chemie nicht.
00:08:39: Irgendwie haben wir ein Missverständnis oder aber sie gehen raus.
00:08:44: Ich trink ein Tee mit marokranischer Minze und rufe sie noch mal rein.
00:08:49: Und wir fangen das Gespräch von vorne an.
00:08:51: Und ich darf ihn wirklich verraten.
00:08:53: Es gelingt immer, wenn die Haltung stimmt.
00:08:56: Was beginnt häufig mit der Haltung?
00:09:00: Wenn Sie das jetzt so beschreiben, höre ich da auch raus.
00:09:02: Mut zur Pause.
00:09:04: Wenn man sich jetzt so ein Gespräch mal systematisch anschaut, vielleicht könnten Sie uns da durchführen.
00:09:10: Was gehört zum Beispiel zu einer guten Vorbereitung?
00:09:13: Sowohl auf Seiten der Überbringerin oder des Überbringers, aber auch für die Betroffenen.
00:09:20: Gut, also der erste Schritt ist erst mal bitte keine Systematik benutzen.
00:09:25: sondern wichtig ist, dass man erstmal natürlich eine Orientierung hat.
00:09:29: Und so wie es bei einem Gespräch Grundsätze ist, bei einem Vortrag, der Beginn ist sehr wichtig und das Ende ist sehr wichtig.
00:09:37: Und vor allem die Haltung.
00:09:38: Also ist es mir bewusst, dass ich jetzt eine schlechte Nachricht überbringen muss, erster Aussage.
00:09:46: Also ist mir das bewusst.
00:09:48: Das Zweite wäre schon meiner Meinung nach, will ich das überhaupt?
00:09:53: Will ich das?
00:09:55: Warum frage ich das?
00:09:56: Weil wir als Mediziner und Mediziner nicht sozialisiert sind, einmal für die Stille, die sie angedeutet haben, aber auch nicht für die Delegation.
00:10:05: Weil das könnte ich ja noch machen.
00:10:06: Ich könnte ja, wenn ich sage, nein, ich will nicht, das Delegieren.
00:10:10: Das Zweite ist, kann ich das?
00:10:13: Das kommt ja wiederum.
00:10:14: Kann ich das?
00:10:15: Und zwar einmal von der Umgebung her.
00:10:18: Das heißt, infrastrukturell muss ich in drei Minuten eigentlich im OP sein.
00:10:24: oder ist denn das überhaupt möglich, dass ich das schaffe?
00:10:29: Und kann ich das, indem ich diesen Menschen überhaupt kenne?
00:10:33: Ja, so.
00:10:34: Und deswegen würde ich als nächsten Schritt tatsächlich das so formulieren, muss ich denn?
00:10:40: Und ich sage immer, keiner ist gezwungen, für Gespräche zu führen.
00:10:44: Und dann kann man eben genau diesen Duktus nehmen und schauen.
00:10:48: Und das, was Sie wieder gesagt haben mit der Stelle, das ist schon ein ganz elementarer Punkt.
00:10:53: die Warnung geben.
00:10:55: Ich habe eine schlechte Nachricht.
00:10:59: Und dann die Pause.
00:11:01: Der Arzt ist nicht für die Stille sozialisiert, aber wir arbeiten ja viel mit Simulationspatientinnen und Simulationspatienten.
00:11:08: Und in der Reflektion kommt immer wieder heraus, die Stille war heilsam.
00:11:12: Es ist eine heilsame Methode, Luft zu lassen.
00:11:16: Das heißt, Raum zu lassen, das Verdauen zu lassen, die Spannung rauszunehmen, um eine Emotion zuzulassen, die ein Zweifel, eine Wut, eine Trauer sein kann und ich in der Zeit als Donator, als Überbringer diese Reaktion erstmal erkenne, beobachte, wahrnehme und nicht beurteile, nicht beurteile, um dann eben den Raum zu lassen, um dann auf die Gegenreaktion zu warten, die in der Regel nach zehn, zwölf, fünfzehn, manchmal sechzehn Sekunden kommt, um dann wieder Raum zu lassen, um zu fragen, was ist der nächste Schritt?
00:12:03: Wie kann ich helfen?
00:12:04: Wie kann ich unterstützen?
00:12:05: Da geht es nicht um den Therapieplan oder um die Lösung, sondern es geht um die Bewegung, und zwar die emotionale, die mentale und die physische Bewegung.
00:12:16: Darum geht es.
00:12:18: Und das sind so die Leitplanken für ein derartiges Gespräch, aber man kann am Anfang sich daran orientieren, dass ich eben diese will ich, muss ich fragen, stelle und mir einen guten Anfang und ein gutes Ende andeutungsweise vorstelle, so wie das der Hochstab springer macht, der auch eben das in seinem Gehirn ablaufen lässt, ohne aber nicht trotzdem auf den Stein, auf dem Boden zu reagieren und so weiter auf den Wind, weil darum geht es ja.
00:12:56: Also nicht zu steif in dieses Gespräch zu gehen, sondern zuzulassen und wie gesagt auch sich selbst dabei zu beobachten, wie man reagiert.
00:13:06: wie man diese Gegenübertragung, diese Wut auch spürt.
00:13:10: Es ist nicht eine Wut, das kann die eigene sein, das kann die Wut der Patientin sein, das kann der Wut des Angrügendes sein, aber sie erst mal zu spüren und sie erst mal zu respektieren.
00:13:22: Das ist die Kunst.
00:13:24: Okay, das heißt, ich darf es kurz zusammenfassen.
00:13:26: Es geht nicht um ein starres System, es geht um eine Dynamik, um offen.
00:13:32: dafür zu bleiben, wie sich so ein Gespräch entwickelt.
00:13:35: Jetzt haben Sie auch am Anfang gerade so Fragen erwähnt, wie habe ich überhaupt Zeit?
00:13:41: Habe ich die Räumlichkeiten?
00:13:43: Was sind denn so die Rahmenbedingungen, die man beachten sollte?
00:13:48: Ja, ich würde es anders drehen, weil das kennt man ja, dass man nicht um die Ecke sitzen soll.
00:13:53: Bamm, bamm, bamm.
00:13:53: Aber das bringt gar nichts, sondern andersrum.
00:13:56: Sie können überlegen, was sind denn Störfaktoren?
00:13:59: Also was sind eigentlich No-Goes in so einem Gespräch?
00:14:02: Und No-Goes ist, wenn man eben ein Gespräch über ein ernstes Thema spricht, ohne dass man irgendeine Ahnung hat, wer dieser Mensch ist.
00:14:10: Das ist schon mal ein No-Go.
00:14:12: Das zweite ist ein No-Go, dass man eine schwere Nachricht übermittelt und da ist die Nachbarin, die Bettnachbarin da.
00:14:21: Passiert.
00:14:22: Hunderttausende Male am Tag.
00:14:24: Selbst wenn man fragt, stört sie das?
00:14:26: und die Patientin sagt, ne, ich stört mich nicht, ist das ein No-Go.
00:14:30: Weil es gibt immer Kollateralsschäden.
00:14:32: Das ist doch ganz klar.
00:14:34: Drittens, dass wenn sie ein Gespräch führen, was sie nicht wollen, ist auch ein No-Go.
00:14:42: Das kann gar nicht gut werden.
00:14:44: Und das sind so eher die Dinge.
00:14:46: Natürlich ist das schlecht, wenn ich stehe, die Tür ist offen, werde ich viermal angerufen über mein Pieper, stehe, die Patientin sitzt, die Patientin hat den Termin gar nicht gewusst.
00:14:59: Sie hatte nicht die Chance, wenn sie wollte, ihre Angehörigen oder Partner dabei zu haben.
00:15:06: Das heißt, wenn sie ein Überfall machen und dann noch ein Überfall von oben herab, Und ein Überfall, ohne dass ich mich mit diesen Menschen auseinandersetze, sondern eigentlich mit der Welt mich beschäftige.
00:15:19: Ständig nur am Computer gucke, nur am Handy bin oder mit über was anderes reisei ist, noch so wichtig ist das ein No-Go und damit können sie nicht weitergehen.
00:15:29: Warum?
00:15:29: Es geht gar nicht um die Überbringung der schlechten Nachricht, im Sinne nichts gegen Postboten, aber geht dann nicht den Brief zu überbringen, sondern es geht hier um die Beziehung.
00:15:38: Das heißt, die Sprache, die Kommunikation ist das wichtigste Instrument, um das Vertrauen zu bilden, zu zementieren.
00:15:49: Und wenn ich aber gar nicht dahin komme zum Vertrauen, dann können Sie erzählen, was Sie wollen, dann können Sie ratschlagen, was immer Sie mögen und deswegen sich nicht verzetteln mit räumlichen Kompositionen, wie man wo sitzt und wie man guckt und so weiter.
00:16:06: Sondern es geht um die Aufmerksamkeit und die hundertprozentige Fokussierung auf diesen Menschen.
00:16:13: Und es ist nicht die Zeit, es ist die Achtsamkeit, die Wachsamkeit und die Konzentration auf den Punkt herauf.
00:16:21: Das ist die Kunst, schlechte Nachrichten zu übermitteln.
00:16:25: Jetzt haben Sie gerade Angehörige erwähnt.
00:16:27: Wie sollte man die in solche Gespräche mit einbeziehen?
00:16:30: Was ist da die vorhergehensweise?
00:16:32: So wie immer sollte man erstmal die Patienten selbst fragen.
00:16:36: Es gibt Patienten, die sagen ja unbedingt und dann gibt es welche sagen nein.
00:16:41: ich will erstmal mit mir selbst klarkommen.
00:16:43: Wir haben das untersucht in einer Studie und da war das so, dass achtzig Prozent der Frauen eben sich gewünscht hätten, wäre jemand dabei gewesen.
00:16:53: Aber bei achtzig Prozent waren sie alleine.
00:16:55: Es geht erst mal nur um die Entscheidung und es ist auch ein Stück für diese Achtsamkeit und der Wertschätzung, dass man erst mal die Menschen fragt, wie wollen sie es?
00:17:04: Es ist nicht immer der Ehemann, es kann die Nachbarin sein, kann die Freundin sein, das kann die Tochter sein, das kann der Sohn sein, das muss jeder für sich selbst entscheiden.
00:17:14: Aber dass wir Ärzte glauben, das ist immer gut und das ist immer schlecht, das ist nicht das, was wir unter personalisierter Medizin meinen.
00:17:24: Wenn man jetzt am Ende von so einem Gespräch angelangt ist und wieder auf den Überbringer oder die Überbringerin schaut, bevor man wieder in einen vielleicht sehr hektischen Krankenhaushaltag oder Praxishaltag zurückkehrt, gibt's irgendwas, was Sie empfehlen, was man tun kann, um sich auch mental von solchen Gesprächen loslösen zu können?
00:17:45: Sehr, sehr wichtig.
00:17:46: Also ... Das gibt schon ein Art rituelles Waschen, kann man das formulieren.
00:17:51: So wie wir das ja bei der Operation machen, dass wir vor der Operation uns waschen.
00:17:56: Und auch nach der Operation.
00:17:57: So sollte das zumindest ein Sein.
00:17:59: Und das ist ein Ritual.
00:18:01: Und das kann jeder für sich selbst entscheiden.
00:18:03: Das kann ein Musikstück sein.
00:18:04: Das kann auch ein Tee sein.
00:18:05: Das kann ein Kaffee sein.
00:18:06: Das kann auch der Gang zum Getränkeautomaten sein.
00:18:11: Aber Rituale bringen häufig eine Orientierung und eine Entschleunigung.
00:18:17: Das ist ganz wichtig und die muss gar nicht lange sein.
00:18:20: Das soll ja nicht in einer Siersterin, aber auch wenn es nur tief Luft holen ist oder eben nochmal eine Entschleunigung für sich selbst, weil die nächste Patientin hat das Recht, wieder auf eine hundertprozentige Konzentration.
00:18:35: Und nochmal ziehen Sie immer die Möglichkeit, der Karte zu delegieren oder zu verschieben.
00:18:44: Also ich habe Patienten, die mir sagen, Herr Preußer, haben Sie mal zwei Minuten.
00:18:48: Ich sage, nein.
00:18:49: Sie sind mir viel zu wertvoll, als dass wir das Thema in zwei Minuten Abgrenzung.
00:18:54: Und dann verstehen die Patienten auch und sagen, ich brenne auf Kohlen.
00:18:59: Ja, aber sie werden nicht verbrennen.
00:19:01: Ich verspreche Ihnen das.
00:19:03: Ich verspreche Ihnen das.
00:19:04: Sondern ich muss mach sein.
00:19:06: Ich muss mich orientieren, um Ihnen auch eine Orientierung anbieten zu können.
00:19:10: Und deswegen, das ist das, was wir in der Medizin leider nicht lernen, die Supervision, die Selbstreflexion und auch die Deeskalation und die Delegation.
00:19:19: Das sind Dinge, aber die extrem wichtig sind, und zwar grundsätzlich nicht nur bei der schlechten Nachricht.
00:19:24: Das heißt, es geht darum, für Patientinnen und Patienten zu sorgen, aber eben auch, um die Selbstfürsorge, um solche Gespräche gut führen zu können, richtig?
00:19:33: Absolut.
00:19:34: Sie kennen ja vielleicht diesen Begriff des second victims.
00:19:37: Das kommt ja eigentlich aus der Gewaltambulanz.
00:19:41: Oder es kommt aus dem Thema der Komplikation.
00:19:43: Sie haben eine Patientin ja eine Komplikation.
00:19:46: Und sie ist natürlich der First Victim.
00:19:48: Aber der Second Victim ist der Mitarbeiter.
00:19:50: Weil er ist auch belastet.
00:19:52: Und das ist eigentlich auch bei der überbringenden schlechten Nachricht genauso.
00:19:55: Das heißt, wenn sie eine Nachricht übermitteln, kommt die unbewusst, bewusst auch zu ihnen zurück.
00:20:00: Da geht es ja um... Progression der Krebserkrankung oder eine Komplikation in Nebenwirkung, keine Ahnung.
00:20:07: Aber das heißt, sie selbst sind ja auch betroffen.
00:20:10: Es ist Professionalität, dass wir natürlich da auch nochmal einen Schutzprogramm dafür brauchen, eine Deeskalation, um uns wieder zu orientieren.
00:20:20: Weil wenn sie von einer Katastrophe die andere laufen, steigt das Risiko, dass die Katastrophe zu einer Tragödie wird.
00:20:27: Haben Sie sich durch Ihre Ausbildung gut auf das Überbringen schlechter Nachrichten vorbereitet gefühlt?
00:20:34: Nein.
00:20:35: Möchten Sie das weiter ausführen?
00:20:37: Ja, gut.
00:20:38: Ich habe ja, ich glaube, Formen neunzig, eben jetzig studiert, damals an einer freien Universität.
00:20:46: Inzwischen ist das die Humboldt-Universität zur Charité zugehörig.
00:20:52: Und da war das Thema gar kein Thema, erster Aussage.
00:20:55: Zweite Sache ist, dass bei den Anamnesen und bei der Kommunikation mit Patienten es eher um Inhalte ging und nicht über die Art.
00:21:05: Und das Dritte ist, Sie können im Medizinstudium damit beginnen, aber eigentlich lernen Sie nur, wenn Sie Fehler machen und Verantwortung übernehmen.
00:21:14: Und das ist das Manko.
00:21:16: Es bringt nicht alleine nur, im Studium was zu machen, weil wir lernen ja von Vorbildern, und von Beobachten.
00:21:23: Und wenn Sie in den Alltag kommen und einfach sehen, dass Kommunikation nicht wichtig ist in diesem Land, in dieser Medizin, dann haben Sie Schwierigkeiten, sich da eben weiterzuentwickeln.
00:21:35: Es gibt keine Supervision, wir reden jetzt nicht über die Psychosomatik, wir reden jetzt nicht über die Psychiatrie, sondern wir reden über die gesamte Medizin.
00:21:43: Die gesamte Medizin ist ohne Supervision, ohne Reflexion und ohne Anerkennung, dass Kommunikation eine medizinische Prozedur ist.
00:21:51: Und da haben wir ein Grundverständnisproblem.
00:21:53: Wir streiten uns, welcher Test, wie bezahlt wird, welche BM-Ziffer.
00:21:58: Aber die Kommunikation ist grundsätzlich als selbstverständlich.
00:22:02: Wir reden über personisierte Medizin, wir reden über molekulare Diagnostik.
00:22:06: Aber wer redet denn mit den Patienten?
00:22:08: Wer erklärt ihnen das?
00:22:09: Warum preist man nicht Kommunikation in diagnostische und medizinische Prozeduren ein?
00:22:15: Das ist doch eine Leichtigkeit.
00:22:17: Und das wäre dann tatsächlich die Basis.
00:22:21: Und jetzt in der Ära der technologischen Ära, ich sag jetzt mal AI-Mania oder Technogiemania, digitale Techniken auf schlechte analoge Algorithmen raufzusetzen, wird nicht die Kommunikation verbessern.
00:22:35: Und das sind so Dinge, die wichtig sind, normal zu definieren.
00:22:39: Deswegen bin ich auch sehr froh gewesen, dass sie mich hier eingeladen haben.
00:22:44: Sie meinten gerade, es ist in diesem Land ein Problem.
00:22:47: Es ist ein ... ein deutsches Problem oder ein deutschsprachiges Problem?
00:22:51: Nein, es ist ein weltweites Problem.
00:22:53: Ich bin in neunundfünfzig Ländern schon gewesen und kenne nahezu alle Gesundheitssysteme.
00:23:00: Die Patientenferne ist leider ein Dilemma der gesamten modernen Medizin.
00:23:06: Und deswegen ist das kein deutsches Problem, aber man sollte immer erst im eigenen Dorf anfangen, Dinge zu verändern.
00:23:14: Sie schreiben in ihrem Buch, dass Sie sich angewöhnt haben, abends oft noch mal einen Patienten oder eine Patientin zu besuchen, um bewusst eine positive Nachricht zu überbringen.
00:23:23: Warum machen Sie das?
00:23:25: Ja, also ich mache das häufig, aber nicht mehr bewusst, muss ich ehrlicherweise sagen.
00:23:29: Ich mache immer meine Visiten so gegen acht, halb, neun, neun Uhr, weil ich vorher nicht dazu komme.
00:23:35: Und früher habe ich tatsächlich das ganz bewusst gemacht, gesagt, jetzt gehe ich und suche mir eine Patientin.
00:23:41: wo etwas Gutes ist, aber sie finden immer etwas Gutes.
00:23:45: Sei es ihnen alleine die Verabredung am nächsten Tag oder eben die Freude, das Bild der Tochter oder des Sohnes auf dem Nachtsicht zu sehen und das zu besprechen.
00:23:56: Aber grundsätzlich, den Tag mit etwas Gutes zu beenden, ist Puffer, ist Heisamkeit für mich selbst, aber auch für die Patienten.
00:24:04: Und das muss gar nicht immer so medizinische Themen sein.
00:24:07: Also ich lade sie ein, mit mir Visiten zu machen.
00:24:11: Sprechen nicht sehr viel über Medizin, bei Medizin.
00:24:13: Natürlich ein, zwei Dinge.
00:24:15: Aber der Grund-Tenor ist, den Menschen zu sehen.
00:24:21: Gibt es zu diesem Thema noch etwas, was wir heute nicht besprochen haben, was sie gerne teilen möchten?
00:24:28: Also ich bin der Meinung, dass das Thema Kommunikation tatsächlich eben so von Bedeutung ist, dass wir wirklich nicht aufgeben sollten, das zu verändern.
00:24:38: Und ich bin der Meinung, wir können es verändern, wenn wir als Allianz uns da einig sind, dass das die Grundlage jeglicher medizinischen Intervention ist.
00:24:47: Das bedarf aber einem Berufsgruppen und einem Disziplinübergreifenden Denken und einer Haltung als Allianz.
00:24:55: Und das Wichtigste ist, um das mal vielleicht auch für mich nochmal zu destillieren.
00:25:00: Und so habe ich das in meinem Buch auch erst verstanden.
00:25:03: Es geht wirklich nur um die Beziehung.
00:25:05: Und so wie Sie nicht nicht kommunizieren können, können Sie nicht in Beziehung sein.
00:25:09: Und das ist das Schöne.
00:25:11: Es geht nur um die Beziehung und zwar nicht meine persönliche Beziehung, sondern die Beziehung als Mandatsträger für die Medizin.
00:25:18: Und deswegen so banal das klingt.
00:25:20: Es geht tatsächlich um die Gesundheit.
00:25:22: körperliches, mentales, soziales Wohlbefinden.
00:25:25: Das könnte als das Lebensqualitätsinstrument nehmen, der Wahl.
00:25:29: Und daran sollte man sich messen.
00:25:32: Und wenn ich merke, dass das mir schwerfällt, dann muss man sich die Frage stellen, wo kann ich Hilfe kriegen?
00:25:38: Ist das das richtige Environment?
00:25:41: Ist das die richtige Umgebung?
00:25:43: Ist das überhaupt der richtige Beruf, um dann wirklich die Konsequenzen?
00:25:47: Weil man kann nicht jemanden anderen die Heilsamkeit näher bringen, wenn man selbst nur leidet.
00:25:55: Ein schönes Schlusswort, Herr Sehuli.
00:25:56: Ich bedanke mich für das Gespräch.
00:25:59: Ich danke Ihnen für die Einladung.